Computer Vision: Use Cases soweit das elektronische Auge reicht
Hast du dir auch schon einmal gewünscht, ein drittes Auge zu haben – um gleichzeitig den 3D-Drucker, den Hund im Garten oder den Kuchen im Ofen im Blick zu behalten? Ein Kollege fragte mich neulich sogar, ob eine Künstliche Intelligenz (KI) seine Katzenklappe automatisch verriegeln könnte, sobald seine Katze eine Maus anschleppt. Damals musste ich ihn noch enttäuschen – heute sehe ich das deutlich optimistischer. Denn die Fortschritte in der Computer Vision, also der automatisierten Bildverarbeitung, sind beeindruckend. Leistungsfähigere Modelle laufen inzwischen auf schwächerer Hardware, und der Aufwand für das Training sinkt stetig. Dadurch gewinnt das Thema – besonders die Objekterkennung – auch für uns im INFORM DataLab zunehmend an Bedeutung. Unsere gemeinsame Machine-Learning-Studie mit der Computerwoche, IDG Research Services und Lufthansa Industry Solutions bestätigt diesen Trend deutlich.

Bildverarbeitung wird zum Gamechanger
Ein Blick in die Studienergebnisse zeigt: In den Top 5 der umgesetzten Machine-Learning- und KI-Projekte steckt fast überall Potenzial für Computer-Vision-Anwendungen:
53,8 % Qualitätssicherung in der Produktion
43,8 % Fehlerreduzierung
40,2 % Prozessautomatisierung
36,7 % automatisierte Vorgangsbearbeitung
Hier einige Beispiele, wie Bildverarbeitung konkret eingesetzt werden kann:
Qualitätssicherung: Erkennung defekter Schweißnähte auf Röntgenaufnahmen
Fehlerreduzierung: Identifikation fehlerhafter Arbeitsschritte in der Produktion
Prozessautomatisierung: Lokalisierung von Früchten für Ernte-Roboter
Vorgangsbearbeitung: Automatische Klassifikation von Schadensbildern in Versicherungen
Wenn es also nicht an sinnvollen Anwendungsfällen mangelt – warum nutzen Unternehmen diese Technologie nicht längst flächendeckend?
Warum viele noch zögern
Viele verbinden mit „Bildverarbeitung“ noch die alten, klassischen Ansätze aus den 1990er- oder 2000er-Jahren – aufwendig, unflexibel und fehleranfällig. Diese feature-basierten Verfahren hatten wenig mit den heutigen Deep-Learning-Methoden zu tun.
Ein Beispiel:
Früher musste ein Experte genau definieren, was ein Fahrzeug ist, welche geometrischen Merkmale es hat und wie es erkannt werden kann. Das war komplex und anfällig – schon abweichende Lichtverhältnisse konnten den Algorithmus aus dem Konzept bringen.
Heute läuft das völlig anders. Für ein Deep-Learning-Modell reicht es aus, Bilder mit sogenannten Bounding Boxes zu versehen – also einfach Kästchen um die Objekte zu zeichnen. Für viele Anwendungsfälle genügen wenige hundert Bilder, in neueren Modellen sogar ein Dutzend gut ausgewählter Beispiele. Der Trainingsaufwand ist dadurch dramatisch gesunken – und die Ergebnisse sind gleichzeitig robuster und präziser als je zuvor.
Agiles Machine Learning dank Computer Vision
Diese technologische Entwicklung verändert auch die Art, wie Computer-Vision-Projekte umgesetzt werden.
Ein typisches Projekt kann heute innerhalb von wenigen Wochen realisiert werden.
Der größte Aufwand liegt meist noch in der Datenerhebung: Es müssen ausreichend Bilder unter verschiedenen Bedingungen aufgenommen werden, um ein repräsentatives Dataset zu erzeugen. Anschließend kommen Supersampling-Methoden zum Einsatz – das System generiert automatisch neue Trainingsbilder durch Spiegelung, Rotation oder Projektion.
Ist das Datenset vollständig, wird ein Modell trainiert – und genau hier liegt der Unterschied zur alten Bildverarbeitung:
Ein modernes Computer-Vision-System bleibt flexibel und lernfähig. Wenn sich Bedingungen ändern oder neue Randfälle auftauchen, kann es durch den Anwender gezielt nachtrainiert werden.
Dieser DIY-Ansatz spielt laut unserer Studie eine immer größere Rolle: Über 78 % der befragten Unternehmen entwickeln bereits inhouse Machine-Learning-Lösungen – zumindest teilweise.
So entsteht ein System, das kontinuierlich lernt, sich verbessert und nur selten komplett neu aufgebaut werden muss. Das ermöglicht agile, iterative Entwicklungen – vom Proof of Concept bis zur produktiven Anwendung.
Fazit
Die Zeiten, in denen Bildverarbeitung kompliziert, teuer und unzuverlässig war, sind vorbei. Computer Vision hat sich zu einer praxisnahen, skalierbaren Technologie entwickelt, die in unterschiedlichsten Branchen echten Mehrwert schafft – von der Produktion bis zum Versicherungswesen.
Dank moderner Machine-Learning-Methoden können Unternehmen heute innerhalb weniger Wochen Prototypen entwickeln, testen und produktiv einsetzen. Und das Beste: Die Systeme lernen mit – Schritt für Schritt, Bild für Bild.



